Heile Welt in Gefahr
Das Chaos besiegt die Ordnung
Franz Mohr – Seine Seele, sein Körper, oder das was davon ihm übrig ist, dreht sich im Grab herum.
Er hat es nicht gewollt.
Er hatte es wirklich nicht gewollt.
Alle Jahre wieder und dieses Jahr schon wieder. Stille Nacht, heilige Nacht. Es sollte endlich Ruhe sein. Schlimmer wäre nur „Last Christmas“ von Wham. Aber dies blieb Franz Mohr erspart. Der Wind hatte gedreht und eisige Kälte wehte über den Tiroler Friedhof.
Diese Nacht war so kalt, zu kalt. Selbst für die niedlichen Engelsstimmen der stillen Nacht. …
Als sie an diesem Morgen aufwachte, war das erste, was sie sah: Regen, der so richtig ans Fenster klatschte. Kurze Zeit später hörte man ihr euphorisches:
„Ahhhhhhhhhh…mhhhhhhhhhhhhh…….euohhhhhhhhhhhhhhhhhhh.“
gefolgt von einem ernüchternden:
„Ssssssss, ppuuuuuuuu, puuuuummmmmm.“ Es war gut, dass der große Spiegel im Zimmer schwarz verhangen war.
Dauernd gehen die Akkus zur neige.
Immer wenn man es am wenigsten gebrauchen kann. Sie ballte die Fäuste.
„Verdammt, ständig diese chinesischen Billigprodukte.“
Sollte es so sein?
Sollte es wirklich so sein, dass hier in dieser Notlage der „lederne Hund“ gewetzt werden sollte?
Wie bei den alten Griechen.
Lysistrata.
Alte Zeiten, neue Zeiten. Immer das gleiche Problem.
Ihr Blick fiel auf das Plakat an der Wand mit dem Spruch: „Du kannst alles erreichen.“ …
Auf dem Display des Smartphones in der Führerkabine des Trucks erschien die Meldung:
„Bist du bald da?“
„Wie viel Kilometer noch?“
„Wie viel Stunden noch?“
„Geht es dir gut? Ich liebe dich innig.“
„Deine Estelle“ …
Der Blizzard nahm weiterhin an Stärke zu. Die Scheibenwischer schafften kaum mehr den pudrigen Schnee. Das Gesicht des Fahrers war nicht zu erkennen. Eben sowenig die Sorgen, die darin geschrieben standen. Die Temperaturen sanken. Ungefähr minus 5 Grad Fahrenheit. Das hört sich nicht viel an. Aber das machte der alten Dieselmaschine schwer zu schaffen.
„Dockkkk, Dockkkkk, Dockkeeee-tock“
Erschwerend kam hinzu, dass hier auch gern mal alles Mögliche an Ölen in den Dieseltank gekippt wurde. Probleme mit der Verbrennung und ihren Rückständen waren keine Seltenheit.
Am Straßenrand erschien undeutlich ein Schild mit der Aufschrift:
„Sacré-Cœur“, 75 Milen.
Na gut, es ist ja nicht mehr soweit.
Weiter ging es in den Whiteout hinein. Eine neue Nachricht auf dem Display erschien:
„Ich wünsche Dir eine Straße ohne Leid, ohne Schmerz, ohne Bedauern. Die Straße zu mir.“
„Immer“
„Estelle“ …
Li-Ming saß in ihrem verglasten Büro, wo sie die schwarzhaarigen Arbeiterinnen gut beobachten konnte, als das Telefon fordernd klingelte. Sie war Qualitätsmanagerin in einem chinesischen Unternehmen spezieller Art. Verantwortlich für den guten Ruf der Firma. Sie blickte auf das Display und erschrak.
Sie zögerte den Anruf anzunehmen. Einen Moment, nur einen Moment.
Habe ich etwas falsch gemacht?
Aus dem Telefon erklang die Stimme des gefürchteten Chefs. Herr Tao, vor dem alle Angst hatten und das aus guten Grund. Seine Stimme war freundlich, unterlegt mit dem zischen einer Viper:
„Ist die Lieferung an Orion Hamburg schon raus?“
Li-Ming säuselte hektisch zurück:
„Natürlich Herr Tao. Schon vor 14 Tagen.“
„Genossin Ming, sie haben ein Problem. Ein großes Problem!“
„Sie können es wieder gut machen. Sie wissen schon wie.“ …
Zufrieden sank sie in die weichen Kissen zurück. Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck von völliger Befriedigung, nahezu entseelt:
Gute alte Handarbeit. Wenn man weiß, wie. Wie es geht.
„Scheiß auf chinesische Billigware“, flüstert sie entspannt. …
Sie hatten sich gestritten. Doch das war alles vergessen.
Jetzt!
Jetzt würde alles gut werden.
Sie schaute auf das Hochzeitskleid ihrer Großmutter, was sie in 3 Tagen tragen würde.
Wie eine echte Blanc.
Jetzt würde alles richtig gut werden.
Sie hatte nicht gedacht, dass er es sein würde. …
Er dreht „Silent Night“ im Radio weg.
„Nicht zu ertragen. Auch nicht die Country-Version.“
Er dreht weiter und plötzlich war es da: Patti Smith „Because the Night“.
Noch 60 Meilen. Das Thermometer zeigt minus 15 Grad Fahrenheit.
„Bald bin ich da!“
Erleichterte atmet er auf. Er hatte sich eine Straße gewünscht, ohne Schmerz, ohne Bedauern. Immer zurück zu ihr. …
Auch heute, legte man in der kommunistischen Republik China wert darauf, dass die Füße der Frauen klein und zierlich waren. So wie einst im Kaiserreich die Konkubinen im Kaiserreich. Sie wusste viel. Sie wusste auch, warum die Ladung fehlerhaft war. Deswegen musste Herr Tao verschwinden. Er hatte sie gekauft. Regelrecht gekauft von ihren Eltern. Aber sie war clever. Sie wusste, was es mit den fehlerhaften Akkus auf sich hatte. Sie wusste auch, wie sie den Genossen los werden würde. Durch die großen Fensterscheiben sah sie langsam die Sonne sinken. Sie machte sich zurecht. Elegant, geheimnisvoll und grausam. Wie eine Tigerin, die nicht vergisst. Sorgsam und in aller Ruhe lackierte sie sich die Fingernägel. Als sie fertig war, nahm sie aus einem kleinem Behältnis einen der kleinen Bambus-Splitter. Sie waren vergiftet. Allesamt.
Sorgsam, dass nur eine winzige Spitze unter ihrem Fingernägel herausschaute, klebte sie selbigen dort fest. Eigentlich gibt es jetzt nicht viel zu sagen. Männer haben ihre Lüste. Und Frauen wissen das. Später als er ächzend auf ihr lag, fuhr sie erst mit der rechten, unbewaffneten Hand, in sein After und drückte seine Prostata. Er stöhnt wollüstig auf, wie ein quiekendes Ferkel. Sie wechselte die Hand und führte die schmale Hand, mit dem ausgestreckten Finger in sein After. Er mochte es ja, wenn man auf seine Prostata drückt. Diese sanfte Stimulation, Kontinuierlich.
Das Gift wirkte schnell.
Er schaute dumm und verstand nichts. So wie er schon immer nichts verstanden hatte. Ein letztes keuchen und es war vorbei. Er sackte tot zusammen.
Sie kleidete sich an und wusste, die Leiche musste weg. Sie rief die Nummer für „Notfälle“ an.
„Halloooo………ja?“
„Es ist erledigt!“
„Abholen!“
„Jawohl. Wir kommen vorbei.“
An dieser Stelle ist das Wort „Triaden“ niemals nicht gefallen. Auf die Leute war verlass.
Immer! …
Der LKW stotterte vor sich hin. 5 Meilen noch bis „Sacré-Cœur“ im Whiteout, Schneeblind. Er schreckte zusammen. Vor ihm stand eine riesige Elchkuh mit einem kleinen jungen Elchkalb. Er versuchte noch, den LKW auf der Straße zu halten, doch er rutschte ab. Die Reifen quietschten. Chaos.
Er schlug mit dem Kopf auf und wurde sofort bewusstlos. Durch die geborstene Scheibe strömte eisig kalte Luft herein. Das Thermometer zeigte mittlerweile minus 20 Grad Fahrenheit. Das übersteht man nicht lang.
Als man seinen erfrorenen Leichnam fand und die Ladung kontrollierte, fand man Elektrogeräte, die versehentlich umgeleitet wurden. Eigentliche Adresse war Hamburg, Orion. …
Die deutsche Frau vom Anfang sollte nie wieder auf chinesische Billigprodukt zurück greifen. Sie ging am Nachmittag nach ihrer Arbeit zu der Buchhändlerin ihres Vertrauens und bestellte zwei Bücher: „Bitterer Nachgeschmack – Giftmorde in der Literatur“ und „Das Kamasutra der Frösche“. Man muss sich ja weiterbilden…
Auch Tirol hatte nur Glück, das es weit weg von chinesischen Handelsruten lag. Und in jener, unserer Zeit immer noch Eigenständig war. Das der Sänger von Freiwild seine Weihnachtsgesangs-Stunden bei den katholischen Priester inklusive zärtlichen Anfassens nie vergessen sollte, muss nur am Rande erwähnt werden. Nur eins: Beim ertönen von „Stille Nacht, heilige Nacht“, bekommt er immer noch eine ……Gänsehaut.
Der Rest ist schnell erzählt. Wie schon Heiner Müller sagte: „Hoffnung ist etwas für schlecht Informierte.“
Die Temperatur sank weiter. Eine ganze Region im Griff des Jahrtausend-Blizzard „Elliot“.
Die Wasserkraftwerke an den großen Seen lieferten keinen Strom mehr. Man fuhr die Atomkraftwerke hoch, bis zur Leistungsgrenze.
Und dann, eigentlich wie immer, Murphys Gesetz: Was schief gehen kann, geht schief.
Es kam nicht nur zu einem Gau, sondern zu einer Reihe von Gaus. Die der Herr Putin auch missverstand. Und er antwortete darauf. Er wollte immer schon Alaska heimholen ins russische Reich. Und wie die Geschichte ausgegangen ist, kann sich jeder denken. Auf dem Pazifischen Ozean sank eines, der beiden Schiffe, die elektrische Billiggeräte aus China geladen hatten. Und irgendwo in den weiten des pazifischen Ozeans treiben nun, neben quietsche-gelben Entchen jene, ominöse Billigprodukte mit den fehlerhaften Akkus.
Erkläre mir Liebe
Atemloses Spiel der Liebe
Kerzenlicht nicht wert